Bergleute und ihre Arbeit
Glückauf,
klingt nach vollbrachter Schicht,
des Bergmanns Gruß.
Im Flöz sorgt sich ein Bergmann um die Standsicherheit eines gesetzten Stempel.
Quelle: Tisa von der Schulenburg 1947
Nach Gründung des Deutschen Kaiserreiches erlebte die Wirtschaft einen rasanten Aufschwung. Neue große Schachtanlagen und Hüttenwerke wurden gebaut. Mit den stürmischen fortschreitenen der Industrialisierung war ein ständig steigender Energieverbrauch verbunden. Die stärksten Antriebskräfte kamen aus den Steinkohlebergbau und zwar in Verbindung mit der Gewinnung von Eisenerzen als Grundlage für die Stahlerzeugung. .
Der Bergbau entwickelte sich mit der Stahlindustrie und den Maschinenbau zum bedeutensten Führungssektor der Wirtschaft.
Etwa 80% aller Primär Energie kam Anfang 1900 aus kohlebetriebenen Dampfmaschinen.
Denn Steinkohle wurde mittlerweile mit den Lokomotiven der Eisenbahnen identifiziert und mit den Dampfern, die aus Stahl gebaut, mit kohlebefeuerten Kesseln betrieben wurden. Dementsprechend wuchs die Steinkohleproduktion in Deutschland von 24 Millionen Tonnen (1867) auf 190 Millionen Tonnen (1913).
Die Veränderung im Abbauverfahren und der Einsatz mechanischer Fördereinrichtungen ( Schüttelrutschen ) brachte erhebliche Leistungssteigerungen. Entlang des Kohlenstoßes aufgestellte Blechrinnnen wurden durch Motoren hin- und her bewegt ( geschüttelt ) wodurch die Kohle selbst bei flacher Lagerung nach unten zur Grundstrecke rutschte, um von dort zum Schacht weitertransportiert zu werden. Die Arbeitsgeschwindigkeit stieg, der Steiger wurde vollends zum Antreiber. Die Verminderung der körperlichen Belastung wurde durch gesteigerte Arbeitsintensität und verschlechterte Umweltbedingungen mehr als wett gemacht. Die Staubentwicklung stieg durch das ständige Schütteln der Kohle in den Rutschen sprunghaft an, der zusätzliche Lärm vermittelte das Gefühl einer erhöhten Gefährdung. Das typische, jeden Hauer bekannte Knistern im Gebirge, das ihn vor einen drohenden Bruch warnte , konnte nicht mehr wargenommen werden. Die Reaktion der Bergleute vor Ort war durchweg negativ, es half aber nichts, die Produktionssteigerung war den Unternehmern wichtiger, vor Ort mussten die Steiger die Neuerungen umsetzen.
Der Ausbau der Zechen forderte insbesonders an der Ruhr zu einem hohen Arbeitskräftebedarf.
Da die Arbeitskräfte vor Ort nicht verfügbar waren wurden insbesonders mit der Anwerbung polnischer Arbeitskräfte aus den preußischen Ostprovinzen und dem heutigen Polen begonnen. In den preußischen Provinzen Rheinland und Westfalen arbeiteten um 1913 ca. 300.000 polnische Arbeitskräfte.1907 stammtem 12% aller Arbeiter in Westphalen aus Schlesien. An den großen Zechen wurden den Bergleuten günstige Werkswohnungen überlassen. Die betriebliche Sozialpolitik war auch als Instrument gegen die aufkommende Arbeiterbewegung gedacht. Die Bergleute mittels dieser Sozialleistungen zu befriedigen war eine Illusion, was die großen Streiks zum Ende des 19.Jahrhunderts deutlich machten.
Infolge der Streiks wurden die ersten großen Bergarbeitergewerkschaften gegründet.
Akkordarbeit ist Mordarbeit
Rosa Luxemburg schrieb zu diesen Arbeitskämpfen:
" Der Krug jedoch geht solange zum Wasser , bis er bricht. Die Geduld der Arbeiter hat auch seine Grenzen. Die schamlos ausgebeuteten deutschen Bergarbeiter verloren endlich ihre Geduld, und so brach plötzlich vor 5 Jahren ( 1889) der Streik von hunderttausenden Bergarbeitern aus.... Der Bergarbeiter, der für gewöhnlich schweigend sein Joch ertrug, erhob plötzlich seine Stimme! Und die Bergarbeiter hatten Anlaß zur Klage, zu Forderungen. Ein überaus langer Arbeitstag, elende Löhne, vor allem jedoch Lohnabzug auf Schritt und Tritt-...... Für jeden nicht ganz voll geladenen Wagen wurde den Arbeitern nichts gezahlt!
Unglücksfälle dezimierten sie, die Kapitalisten aber dachten nicht daran die Arbeitsverhältnisse zu ändern..........
Ein Teil der deutschen Bergarbeiter war damals noch so blind, daß er Hilfe von- der Regierung erhoffte. Es wurde eine Deputation an den Kaiser mit der Bitte um Hilfe gesandt. Der Deutsche Kaiser antwortete ungefähr mit folgenden Worten:" Kehrt zur Arbeit zurück und macht keinenAufruhr, so wird es euch schon besser gehen".
Derart abgefertigt, kehrten die Bergarbeiter jedoch nicht gleich zur Arbeit zurück. Sie streikten mehre Monate lang, litten Hunger und wollten nicht wieder ins Joch. Die Regierung und die Kapitalisten verfolgten sie, wo es nur ging. Endlich erschöpften sich die Kräfte, sie kehrten zur Arbeit zurück......
Dafür aber zeigte der Streik auch, daß es ihrer, der Bergarbeiter, eine gewaltige Menge gibt, daß sie geschlossen in den Kampf treten müssen und nur aus eigener Kraft, sonst auf niemanandes Hilfe rechnen dürfen . Und so organisierten sie auch im Jahre 1889 sofort einen starken Verband der Berg- und Hüttenarbeiter.......
Auf dem Verbandstag (Essen im Dezember 1904) sagt ein Bergarbeiter aus Sachsen-," wenn wir nicht elend zugrunde gehen wollen , müssen wir den achtstündigen Arbeitstag erlangen ."...... Genauso klagten die Bergarbeiter über die Akkordarbeit. "Die Akkordarbeit ist ebenfalls eine der Ursachen des Bergarbeiterelends." Der Bergarbeiter denkt, er werde mehr verdienen, und schuftet mehr, als es seine Kräfte zulassen, bis er seine Besinnung völlig verliert. "Akkordarbeit - Mordarbeit" sagen alle..........
Übereinstimmend beklagen sich sämtliche Arbeiter über die Häufigkeit der Unglücksfälle in den Gruben. Hunderte von Bergarbeitern gehen alljährlich ihre Glieder oder auch das Leben verlustig, die Frauen und Kinder im Elend zurücklassen."
Die Arbeit des Bergmanns war schwer, durch harte körperliche Anstrengung und das Schaffen unter Tage in Dunkelheit, Schmutz, Enge und Feuchtigkeit war mit erheblichen Gefahren verbunden.
Die Kohlengewinnung , der Abbau beruhte auf der individuellen körperlichen Arbeit der Bergleute. Ortskameradschaften bestehend aus Hauern und Schleppern, lösten die Kohle und waren für den Transport mit den Schlepptrögen bis zur Grundstrecke verantwortlich. In der Regel handelten die Kameradschaften mit den Steigern ein sog. Gedinge aus, den Lohn für eine bestimmte Anzahl von pro Schicht abgelieferter vollen Steinkohlewagen, in der Bergmannsprache Hunte genannt.
Bergleute waren und sind bei ihrer Arbeit erheblichen Gefahren ausgesetzt. Im Bergbau ereigneten sich, bezogen auf die Beschäftigungszahl , die meisten Unfälle. Herabfallende Gesteins- und Kohlebrocken waren die häufigste Unfallursache.
Neben Unfällen gehören auch chronische Erkrankungen der Atemwege zu den häufigen Erscheinungen. Feiner mineralischer Staub lagerte sich in der Lunge ab und verursachte die sog. Staublunge .
Unzureichende Grubenbewetterung, der Kohlenstaub und das Arbeiten in nassen Strecken und Örtern führten mit zunehmenden Alter zu stark belastenden Erkrankungen, zur Invalidität und frühen Tod.
Anfang vierzig war man im statistischen Mittel „bergfertig“,war körperlich nicht mehr in der Lage, die schwere Arbeit in der Grube zu leisten. Bergarbeiter im Ruhrrevier wurden 1908 durchschnittlich nach 17,2
Berufsjahren, im Alter von 41,8 Jahren, invalide.
Durch den Bergbau bedingte Krankheiten wurden unterschiedslos als " Bergsucht" bezeichnet.
Der berühmte Paracelsius lebte von 1493 bis 1541,er war ein guter Kenner des Bergbauwesens
und widmete der " Bergsucht" eine eigene Schrift.
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Berginvalide
Bröhan-Museum-Berlin
"Der Bergarbeiter, der für gewöhnlich schweigend sein Joch ertrug, erhob plötzlich seine Stimme! Und die Bergarbeiter hatten Anlaß zur Klage, zu Forderungen. Ein überaus langer Arbeitstag, elende Löhne, vor allem jedoch Lohnabzug auf Schritt und Tritt-,diese furchbarste Plage des Arbeites! Für jeden nicht ganz voll geladenen Wagen wurde den Arbeitern nichts gezahlt! Unglücksfälle dezimierten sie, die Kapitalisten aber dachten nicht daran die Arbeitsverhältnisse zu ändern." Rosa Luxemburg zum Bergarbeiterstreik 1889
Steinkohlenschacht um 1900
Rosa Luxemburg
Arbeiterfamilie um 1900
Aus dem Arbeitsleben der Bergleute
Preußengrube
Wie in einer Düngefabrik richt es bei uns unter Tage, da die Abortkübel wochenlang gefüllt stehen bleiben, ehe man sie hinwegschaft .
Einsatz jugendlicher Bergarbeiter
Jugendlicher Bergarbeiter müssen in zwei Gruppen unterschieden werden:
Zum einen diejenigen, die offiziell als „jugendliche Arbeiter“ geführt wurden, also Heranwachsende zwischen 14 und 16 Jahren;und zum anderen der um ein vielfaches größere Anteil von „Jungbergleuten“,eine Kategorie, die nicht definiert war und über die daher auch keine offiziellen Zahlen vorliegen. Es sind damit jene Bergleute gemeint, die aufgrund ihres Alters (etwa bis Anfang zwanzig) oder ihrer Herkunft (Zuwanderung) über keine bis geringe Vorkenntnisse im Bergbau verfügten und zugleich massiv im Abbau unter Tage eingesetzt wurden.
Diese Jungbergleute waren den höchsten Arbeitsrisiken ausgesetzt. Unter Tage wurden sie als Schlepper eingesetzt (was regelmäßig mit Arbeitskräftemangel begründet wurde), als Hilfsarbeiter beim Befüllen der Wagen, als Pferdejungen oder beim Bedienen der Wettertüren. Als Gründe für die Zunahme der Zahl der jugendlichen Beschäftigten wurde die „Ausdehnung des Bergbaus“ und der damit verbundene Mangel an Arbeitskräften genannt. In solche Situationen „nahmen die Werksbesitzer dann an Arbeitskräften, was sie haben konnten.“
Neben den Ortskenntnissen (Streckenverläufe, meteorologische wie geologische Bedingungen in den jeweiligen Revieren) war ein wesentliches Moment für die Sicherheit unter Tage die Erfahrung in der bergmännischen Tätigkeit.
Eine Ausbildung im engeren Sinne, die etwa arbeitsrechtlich fixiert worden wäre, gab es im Bergbau im 19.Jahrhundert nicht, zum Lehrberuf ist der Bergmann erst nach dem Ersten Weltkrieg geworden.
Bergmannsarbeit basiert auf Erfahrungswissen. Der jugendliche Arbeiter unter Tage fing in der Regel als Schlepper oder Bremser an und konnte sich über den Lehrhauer zum regulären Kohlenhauer hocharbeiten. In der Kameradschaft „vor Ort“, angeführt vom „Ortsältesten“, erwarben die Jungen nicht nur die handwerklichen Fähigkeiten des Berufs, sondern bekamen auch die lebenswichtigen Verhaltensregeln und Sicherheitsvorkehrungen vermittelt.
Weitaus bedeutsamer waren hier diejenigen Risiken, die sich aus den Besonderheiten des bergmännischen Arbeitsplatzes ergaben: Dunkelheit, Hitze, unwegsame Strecken, Ausströmen von Grubengasen,drohender Einbruch der Verzimmerung, Kohlenfall und vieles mehr. Gerade hier entsprang der bergmännischen Erfahrung die wichtigste Unfallprävention,die darin bestand, bei drohenden Gefahren die richtigen Verhaltensweisen gleichsam „automatisch“ abzurufen.
Je schlechter das menschliche Verhältnis in der Grube, desto größer die Unfallgefahren.
aus:
Martin, M. (2009). Allgegenwärtiger Tod: Arbeitsbedingungen und Mortalität im Ruhr-Bergbau bis zum ErstenWeltkrieg.
Manfred Meyer
Max-Planck-Str. 51
30974 Wennigsen
Glück Auf