Liliputbergwerk im Deister

Liliputbergwerk im Deister 

Bei den 19 Kumpels von Feggendorf


Weder  Förderturm noch Halde zeigten den Weg. Keine Arbeitskolonnen ließen  erkennen, daß in der Nähe ein Bergwerk zu finden war. Wir mussten  bergan steigen und in der Waldeinsamkeit den Stolln suchen. Kein Laut keine Menschenseele weit und breit !.  Wenn nicht  nach einer Weile  ein Pferd aus den Dunkel des Stollens gekommen wäre, das hinter sich  ein paar Kohlenloren  herzog, hätten wir an dieser Stelle  kein Bergwerk vermutet.

Nun hörten wir von dem Begleiter dieses Kohlentransportes, daß außer der einen Pferdekraft noch 19  Mann im  Berg tätig waren . " Gehen Sie nur immer geradeaus, dann werden Sie schon jemand finden " Mit dieser Weisung und einer offenen Grubenlampe tappten wir  zwischen den Gleisen auf schlammigen Pfad in den Berg hinein. Auf einmal hörten wir  aus der Finsternis den Anruf: " Bergmann ohne Licht !" Wir grüßten den Unbekannten mit dem Bergmannsgruß "Glück auf" und halfen die  erloschene Lampe anzuzünden. Zum Dank geleitete er uns  zu der nächsten Arbeitsstelle. Die Strecke  wurde niedriger. Wir mussten gebückt weitergehen und waren bald  " vor Ort" , wie der Bergmann sagt.

Im spärlichen Schein der Grubenlampen sahen wir zwei Bergleute bei ihrer mühsamen Arbeit mit Hacke und Schippe. " Wir sind in der Technik noch hundert Jahre zurück ", entschuldigten sie ihr Werkzeug. In diesem Stollen , einen kleinen Nebenbetreib von Barsinghausen, ist noch alles wie Anno dazumal auf Handarbeit eingestellt. Pressluftbohrer und Schüttelrutsche gab es hier noch nicht.


Das durchschnittlich 1,10 m starke Flöz bestand nicht aus reiner Kohle, sondern war stark mit Steinen durchsetzt. Deshalb war das Hauen schwierig. Die Steine mussten gleich vor Ort aussortiert und in den " alten Mann", die abgebaute Strecke geworfen werden. Im Gegensatz zu Bergwerken, die tief in das Erdinnere hinabsteigen, braucht man in diesem Stollen keine künstliche Bewetterung. Es genügt der Wetterzug von draußen, was  Vor.-  aber auch  Nachteile hatte. Wenn es z.B. draußen häufig regnete, tropfte es wie aus der Gießkanne von den Wänden.


Der Bergmann mit dem wir uns unterhielten, war 46 Jahre alt und seit 1919 ununterbrochen in diesem Stollen als Kohlenhauer tätig. Akkordarbeit immer in gebückter Haltung, bei einem durchschnittlichen Tagesverdienst von 7,50 Mark, vor und nach dem achtstündigen Arbeitstag noch anderthalbstündiger Fußmarsch durch den Wald. " darum sehen wir nicht so blaß aus wie die Bergleute, die direkt auf der Zeche sitzen, " meint der Sprecher.  Der Bergman macht keinerlei Aufhebens von seiner Arbeit. 20 Jahre hatte er so gearbeitet.  Sein älterer Kamerad neben ihm war bereits 40 Jahre Kohlenhauer.


Von 1931 bis 1879 war der Feggendorfer Stollen in Betreib. Als das Ruhrgebiet bessere und billigere Kohle förderte, wurde der Stollen stillgelegt. 1917 im ersten Weltkriege, als die Kohlennot größer wurde, begann man wieder mit dem Abbau und förderte ununterbrochen bis heute. Aber nun ist dem Abbau endgültig eine Grenze gesetzt, trotz der Kohlennot, denn in einigen Monaten wird das Vorkommen erschöpft sein. Dann wird der Stollen noch stiller daliegen in der Waldeinsamkeit als heute, dann wird  dieses Liliput- Bergwerk mit seinem Pferd und neunzehn Mann für immer seine Tore schließen müssen.




 Quelle: Hannoverscher Kurier vom 9. November 1945  gezeicnet K.W.

Altbergbau 2022